Südfrankreich - a la carte.

Frankreich - Sehnsuchtsland der Radfahrer. Nicht umsonst findet in diesem Land das größte Radsportereignis der Welt statt. Wer einmal mit dem Fahrrad durch das französische Hinterland gestreift ist versteht ein wenig mehr von der Begeisterung der grande nation für "le velo". Viele kleine asphaltierte Routen mit so gut wie keinem Autoverkehr findet man im ganzen Land. Einzig die Regionen um die großen Städte sind natürlich, wie überall, vom Autoverkehr dominiert. Dass wir uns im Mutterland des Radfahrens befinden, bemerken wir nicht nur an den vielen Rennradfahrern, sondern auch an dem freundlichen "bonne route"(Gute Fahrt!) oder auch "bon courage" (Guten Mut!), mit dem uns die Einheimischen immer wieder begleiten.

Auf ein gewisses Unverständnis stößt allerdings unser großes Reisegepäck. Die Franzosen fahren ja primär mit dem Rennrad und machen ihre sportlichen Kilometer nach Feierabend und am Wochenende. Ehrlich gesagt: französische Reiseradler mit Zelt und Gepäck haben wir auf der ganzen Route keinen einzigen gesehen. Aber dafür umso mehr Freizeitradler, die uns mit viel Sympathie begegnen. Genauso wie auch die Autofahrer ausnehmend rücksichtsvoll an uns vorbei ziehen.

 

1. Tag - Anreise Lausanne

 

Wir starten diesmla mit dem Zug von Murnau aus in Richtung Genfer See. Mit der Bahn funktiniert das prima und die großartige Landschaft in den Allgäuer Alpen und quer durch die Zentralschweiz macht Laune, auch wenn die Berge ja für die Radler immer einen gewissen Beigeschmnack haben.

 

In Lausanne entschließen wir uns noch eine kurze Wegstrecke entlang am See in Richtung Genf zu fahren. Die Gegend ist sicher landschaftlich sehr schön - leider spielt jetzt das Wetter nicht mehr mit und wir werden im Land von Wilhelm Tell, Heidi und Matterhorn mit Nebel und Regen empfangen. Trotzdem, wir campen nach ca. 30 km am See - es sollte ein erster Härtetest für unsere Zelte werden, denn der Regen hört die ganze Nacht nicht auf. Dennoch bleibt alles trocken. Was moderne Zelte heute an Wassermengen aushalten, ohne dass es tropft ist wirklich erstaunlich und bewundernswert. Man kann sich voll darauf verlassen.

innen alles trocken - kein Grund zur Sorge!

2. Tag Lausanne - Genf - Hotel Moderne

 

Wir brechen früh auf um dem schönen Wetter entgegenzufahren. Der Weg am See entlang in Richtung Genf ist bei dem Himmel aber ebenfalls mehr grau in grau als Panoramablick. Wir können die Schönheit dieser Region also weiterhin nur erahnen. Eher "überperfekt" kommen uns die Vorgärten, Einzelhäuser und Wohnanlagen hier in der französischen Schweiz vor. Ich denke, summasummarum ist die Schweiz das wohlhabendste Land der Welt - na kein Wunder, wenn alle ihr Geld in die Berge tragen und sich die Gesellschaft aus vielen internationalen Problemen einfach raushält. Immerhin ist Genf die Welstadt der Diplomatie......Wir verlassen die Region und überqueren unbemerkt die Grenze. Erst als ich auf meinem Navi feststelle, dass die Landkarte immer dünner wird, komme ich nach einigen Kilometern darauf, dass wir uns schon längst in Frankreich befinden. Wir halten im nächsten Dorf und begrüßen la France mit einem ersten café au lait. Sofort Kontakt mit den Gästen in der Bar an: Wohin wollt ihr? Woher kommt ihr? O- la,la 800 km! Allez et bon chance!

 

Die Franzosen sprechen immer noch kaum eine andere Sprache als ihre eigene - umso mehr honorieren Sie es, wenn man sich um die ihre bemüht. Es macht Spaß - selbst wenn wir uns erst wieder reinstottern müssen in den Klang und die wunderbaren Umschreibungen......

 

Am Nachmittag leider wieder Regen. Nach einem trotzigen DENNOCH und stundenlangem Fahren durch die mehr oder weniger intensiven Schauer erreichen wir  klitschnass unser Quartier; irgendwo zwischen Genf und den französischen Alpen, niemand fragt mehr nach dem Namen, weil wir nur noch tropfen. Wir erobern als einzige Gäste das lokale HOTEL MODERNE, welches sich unten mit einer hübschen Rotweinbar präsentiert, aber im Obergeschoss dann doch eher an längst vergangene Zeiten erinnert. Na immerhin, die unvermietbaren Zimmer dürfen wir zum Kleidertrocknen verwenden, ansonsten schläft es sich sehr gemütlich und ruhig.

vielleicht sollte man einmal das Dach mähen

3. Tag Hotel Moderne - Aix les Bains - Orange

 

Der Tag beginnt mit einem klassisch französischem Frühstück - bzw. zwei klassisch französischen Frühstückchen - denn ein café au lait und ein croissant reichen natürlich nicht viel weiter als die ersten fünf Kilometer. Wir müssen erkennen, wie unterschiedlich auf engstem Raum die Lebensumstände auch im wohlsituierten Mitteleuropa sind. Gerade noch waren wir in der extrem reichen südlichen Schweiz und jetzt fahren wir hier in Frankreich durch Dörfer und Gegenden, die sich mehr schlecht als recht mit Landwirtschaft und ein wenig Tourismus durchschlagen. Trotzdem, die Franzosen können das "savoir vivre" und überall gibt es Cafés und die berühmten Patisserien, die uns mit in den Schaufenstern ausgelegten Köstlichkeiten locken. Doch wir halten dagegen und wollen erst einmal Kilometer machen in Richtung Grenoble. Bereits nach wenigen Kilometern fängt es wieder an zu regnen. Es ist kalt, windig und sehr nass. Trotzdem fahren wir den halben Tag - immer schön abwechselnd im Windschatten und erreichen gegen Mittag den Badeort Aix-les-Bains. Wir suchen ein Cafe, trinken Tee und essen wunderbar warme cèpes. Rätseln rum, ob wir uns noch weiter in Richtung Alpen incl. der dann fälligen Höhenmeter bewegen sollen. Bei den Temperaturen können wir da oben auf jeden Fall mit Schnee rechnen. Nach einigem hin- und her entschließen wir uns zum Bahnhof zu fahren, um nach Zügen in den Süden Ausschau zu halten. 

 

 

genug Regen - jetzt ab in den Süden

Wir entscheiden uns mit dem Nachmittagszug durch das Rhonetal in Richtung Süden zu fahren. Wir hoffen dort auf besseres Wetter, was sich nach drei Stunden im IC-Express auch erfüllen sollte. Allerdings empfängt uns hier in Orange, dem Eingangstor zur Provence, gegen Abend ein schneidend kalter Wind......und jetzt erst verstehen wir was da passiert ist. Wir haben jetzt zwei Tage lang die Wetterkapriolen des "Mistral" kennengelernt. Ein schneidend kalter Wind, der im Frühjahr regelmäßig wie ein Sturm von Mittelfrankreich aus mit orkanartigen Böen durch das Rhonetal in Richtung Süden rauscht. Daher der viele Regen. Im Zug erkennen wir am Horizont die Alpen - unsere eigentlich geplante Strecke - mit schneebedeckten Gipfeln. Wir haben richtig entschieden und erreichen Orange bei schönem Abendhimmel. Die Suche nach einem Campingplatz ist insofern erfolgreich, als wir den Platz schnell finden und schon voller Vorfreude auf eine Dusche und gutes Essen dort einfallen. Als wir am Tor rütteln ist allerdings noch alles geschlossen. Noch hat die Saison nicht begonnen. Die freundlichen Gärtner lassen uns trotzdem rein und wir können hinter einer Hecke windgeschützt unsere Zelt aufbauen. Hauptsache trocken! Bärenschlaf!

4. Tag Orange - Mont Ventoux/Ville sur Auzon

 

Am nächsten Morgen Sonne - endlich blauer Himmel so wie wir uns das vorgestellt hatten - aber der Wind ist immer noch sehr schneidig und eiskalt. Trotzdem - mit der Sonne steigt die Motivation und nach einem kurzen Besuch in der durch das römische Amphitheater geprägten Altstadt machen wir uns auf den Weg in Richtung Mont Ventoux. Der Berg liegt eigenartig als weit und breit einzige Erhebung der Region inmitten einer Landschaft die primär von Wein- und Ackerbau gekennzeichnet ist. Unsere Route führt über kleine Nebenstraßen durch flaches Gelände den ganzen Tag in einem großen Kreis um den Schicksalsberg so vieler Rennradler herum. Über den Gipel zu fahren, wie ursprünglich geplant, erscheint uns heute unmöglich wegen des schon in der Ebene manchmal zu starken Windes. Mit Gepäck hätte es uns da oben wohl von der Straße gefegt. Wir übernachten auf einer wunderbar kleinen gemütlichen Campingwiese. In der Vorsaison ist alles so herrlich entspannt hier. Voila!

 

5. Tag Mont Ventoux - Apt/Reillane ( Luberon)

 

Endlich hält das Wetter. Das wird ein wunderschöner Radtag. Wir durchfahren zunächst die eindrucksvolle "Gorge de la Nesque", eine eher unbekannte, aber deswegen nicht weniger eindrucksvolle tiefe Schlucht. Die Fahrt über die an Hang hängende Strasse ist nicht zu steil, aber es geht stetig bergauf. Ein ideales Trainigsrevier für die Rennfahrer, die uns in Scharen überholen. Oben am Berg trifft man sich wieder......um gleich im Anschluß daran die fast 25 km lange Abfahrt in das Luberon zu geniessen. Wunderschöne Aussichten hinein in dieses dünn besiedelte Mittelgebirge lassen die lange Abfahrt zu einem Genuss werden. In Apt, der zentralen Stadt des Luberon, entschliessen wir uns noch eine Schippe drauf zu legen und fahren von fast 30 km weiter in das kleine Dorf Reillane. Das Wetter wäre ideal zum campen, aber wir finden leider keinen geeigneten Platz. Also nehmen wir noch einmal das örtliche Hotel. Leider sind die Besitzer eher unfreundlich - aber was bleibt uns übrig.......

6. Tag Luberon - Lavendel - Gorge du Verdon/Moustiers

 

Wir verlassen über kleine verschlungenen Feldwege das Luberon und erreichen gegen Mittag die Höhenlagen des Plateau du Valensole. Jeder Frankreichkenner weiß: Die ist die Gegend des intensiven Lavendelanbaus. Überall blüht es in strahlendem dunkelblau/lilia und die ganze Region ist eine einzige Duftwolke. Oben auf dem Plateau bläst uns der Mistral immer noch kräftig ins Gesicht; der Wind lässt nicht nach, aber in der klaren Luft ist das Farbenspiel von Lavendel vor dem Horizont der Seealpen umso beeindruckender. Diesen großartigen Moment haben wir der Natur abgetrotzt; manchmal ist der Wind so stark, dass wir die Räder nur noch schieben können um nicht umzufallen.

Die Abfahrt im Windschatten in das kleine Örtchen Moustiers soll genug sein für heute. Wir haben den Eingang zur berühmten Gorge du Verdon erreicht.

 

 

 

7. Tag Gorge du Verdon - Comps sur Artuby

Wir machen uns an den Aufstieg in die Schlucht. So paradox es auch klingt - zunächst heißt es Höhenmeter zu machen um an den Rand des Schluchtkessels zu kommen; und das nicht zu knapp. Insgesamt ist der Aufstieg bis zum Ausgang der Verdonschlucht fast 35 km lang; der Anfang sehr steil mit dem Gepäck, im mittleren Abschnitt geht es etwas leichter und gegen Ende zum Ausgang hin fahren wir eine wunderschöne Höhenstrasse mit tollem Panorama durch das Hinterland. Die Verdonschlucht von oben ist ein Naturschauspiel der Superlative: späktakuläre steile Abhänge, unten der kleine Wildbach der Verdon - großes Landschaftskino!!!!!  Nicht zuletzt weil uns im örtlichen Café die Einheimischen mit so viel Sympathie und Freundlichkeit empfangen, bleiben wir für die Nacht hier. In Comps sur Artuby, am Ende der Schlucht, gibt es einen sehr einfachen, aber wunderbar ruhigen und natürlichen Campingplatz. Cooler Tag!

8. Tag Comps sur Artuby -Plan de Canjuers - St. Cesaire sur Siagne

 

Heute werden wir an die Bruchkante kommen, an der das Hochland der Pyrenäen mit seinen unzähligen Schluchten, Gräben und Verwerfungen endet und der Abstieg in die Region Cote d`Azur beginnt. Dementsprechend queren wir zunächst für etwa 2 Stunden noch das sogenannte Plan des Canjuers, eine fast wüstenhaftes Hochplateau, in großen Teilen militärisches Sperrgebiet, aber doch auf einigen kleinen Straßen zu passieren. Dann beginnt nach wenigen Kilometern die wunderbare Abfahrt in die Ebene Richtung Mittelmeerküste. Wir geben nicht gleich alle Höhenmeter preis, sondern fahren nach dem idyllischen Straßencafé in Bargemon, auf fast gleichbleibender Höhe den Hang entlang, dann noch einmal ein kurzer Anstieg und wir übernachten in einem dieser typischen, auf die Berggipfel geklebten Dörfern der Region. Diese kleinen Weiler liegen dort oben, weil man in früheren Zeiten von dort das Feuersignal als Warnung vor den maurischen Eroberern in Windeseile weitergeben konnte.

 

9. Tag St. Cesaire - Montagne du Cheiron - Gorge du Loup - Bar sur Loup

 

 

Am Vormittag steht eine Entscheidung an: Entweder noch einmal ganz aufsteigen in das Montagne du Cheiron, mit seinen sicher wunderschönen Hochtälern, die wir sehr gerne noch sehen würden. Oder aber von hier aus jetzt direkt in Richtung Küste - das Meer ist ja quasi schon glitzernd am Horizont sichtbar. Trotz eher schlechten Wetters entscheiden wir uns für den Aufstieg - also noch einmal etwa 800 Höhenmeter in die Berge. Unsere Hoffnung auf Besserung erfüllt sich leider dennoch nicht und wir erreichen fast die Passhöhe in strömendem Regen und Nebel. Für mich steht fest, dass ich nun nicht mehr weiter möchte und wähle die Querung des Hochtals in Richtung Gorge du Loup, von wo ich die Abfahrt in Richtung Küste nehmen kann. Der Rest unseres Reisetrios bleibt oben und übernachtet trotz schlechten Wetters hochalpin im Zelt. Sie können quasi zur Belohnung am nächsten Tag einen strahlenden Sommertag im Hochgebirge mit spektakulären Aussichten und rasanten Abfahrten geniessen. Aber auch für mich ist die Route entlang der Schlucht ein highlight mit wunderbaren Wasserfällen, engen Straßen, steilen Wänden und mittendrin ich ganz allein mit dem Rad.

 

 

10. Le Bar sur Loup - Vence - Cagnes sur Mer/Nizza

 

Was gibt es noch zu erzählen: Wir rollen kurz ein - dann Bremsen los und non-stop durch bis an die Küste. Wie immer, sobald das Wasser ins Spiel kommt. Es wirkt wie ein Magnet - beflügelt, befreit. motiviert! Eine tolle Reise findet ihren Abschluß auf dem Boulevard des Anglais. Hier sind wir mitten in der leicht entrückten Glitzerwelt der französischen Mittelmeerküste - eigentlich gar so nicht unsere Welt, aber trotzdem: Da mit dem Rad einzurollen hat doch was........

 

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© bike-zeit/Stefan Eblenkamp